Das älteste bekannte Fachwerkhaus in Hessen, das kurz nach dem Stadtbrand von 1319 erbaut wurde, stand in der Neustadt 3 / 4. Die Art des Fachwerks und die Nutzung sind typisch für die Häuser der Marburger Altstadt.
Bevor es 1875 abgerissen wurde, dokumentierte der damalige Universitätsarchitekt Carl Schäfer die Einzelheiten, indem er das Gebäude vermaß und in Zeichnungen festhielt. Diese dienten als Vorlage für das Mitte der 1950er Jahre angefertigte Modell. Es zeigt sehr anschaulich die Bauart aus dem 14. Jahrhundert: Es handelte sich um ein Doppelhaus mit drei Geschossen, durch die das Hauptgerüst – der sogenannte Ständerbau – hinaufragte. In dieses sind die beiden Geschosse als waagerecht liegende Rähm- oder Rahmenbauten zur Straße hin eingebaut. Die Kombination von Baustilen regte das Interesse von Schäfer, der den Fachwerkbau des 19. Jahrhundert maßgeblich prägte. In dem Gebäude wohnten bis zuletzt zwei unterschiedliche Handwerker. Nach vorne heraus hatten sie ihre Verkaufsläden, dahinter waren die dazugehörigen Werkstätten, oben befanden sich Lager und die Wohnung der Handwerksfamilie. Vor dem Abriss gehörte die rechte Seite einem Schirrmeister, der für die Ausrüstung von Zugtieren verantwortlich war, während die linke Haushälfte ein Schuhmachermeister nutzte. (EB)
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