Die personifizierte Gerechtigkeit gehört zum Skulpturenschmuck der späten Renaissance-Zeit am Marburger Rathaus. Der Auftraggeber war Landgraf Ludwig IV., der seine Residenzstadt ausbauen ließ, nachdem ihm bei der Landesteilung 1567 sein Teil, HessenMarburg, zugefallen war. Justitia verweist im Zusammenhang mit anderen Figuren sowohl auf die Rechtsprechung, die im Rathaus real stattfand, als auch auf das himmlische Gericht, dem am Ende nach christlicher Überzeugung alle unterworfen sein werden.
Als Justitia zu erkennen wäre die weibliche Figur durch die ihr beigegebenen Zeichen: eine Waage und ein Schwert. Diese beiden Dinge sind bei der Originalfigur verloren, wurden aber für die noch heute am Rathaus befindliche zweite Fassung ersetzt. Zum Repräsentationsprogramm der ursprünglich farbig bemalten Figuren gehören dort zudem ein Trompeter, die Figur des Todes, mehrere Putten und ein Hahn. In der Mitte des Giebels aber steht die Gerechtigkeit, einerseits als Anspruch, andererseits als Machtsymbol. Die große Uhr am Rathaus zeigt nicht nur die Zeit an, sondern weist zugleich auf die Vergänglichkeit allen Seins hin. Die Rechtsverhältnisse auf Erden werden nach christlichem Verständnis einst durch himmlische Gerechtigkeit abgelöst. (CO)
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